Viertelhistorie:
Das Gladbacher Gründerzeitviertel
ca. 800
Karolingische Siedlung und Gründung einer Klosterkirche auf dem heutigen Gladbacher Abteiberg, der Legende nach durch den Grafen Balderich
954
Zerstörung der Siedlung durch die Ungarn
974
Gründung einer Benediktiner-Abtei auf dem heutigen Abteiberg durch Erzbischof Gero und den Trierer Mönch Sandrad
11.-12.Jhd.
- Ausbau Gladbachs zu einer befestigten Markt-Siedlung
- Ausbau des heutigen Münsters
- Errichtung einer zusätzlichen Pfarrkirche auf der Spitze des Berges
ca. 1364
Erlangung des Stadtrechtes
14.-18. Jhd.
Gladbach ist im Mittelalter eine kleine Handwerker- und Handelsstadt an den wichtigen Routen aus und nach Aachen/Belgien bzw. aus und nach Roermond/Holland. Die Einwohnerzahl betrug in der Innenstadt bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nicht mehr als 1.200 Menschen. Flachsverarbeitung ist spätesten seit dem 14. Jhd. dokumentiert. Zünfte gründen sich: Schuster, Schmiede, Schreiner, Krämer, Weber, Tuchscherer und Gewandschneider. Aus dem 18. Jhd. sind der Gladbacher Leinenhandel und eine jüdische Gemeinde dokumentiert
1794
Die Besetzung Gladbachs durch französische Truppen bedeutet das Ende des Zeitalters der feudalen Gewalten
ab 1795
Ausbau der Infrastruktur (Landstraßen) und starkes Wachstum im Bereich der Textilmanufakturen, die sich vornehmlich außerhalb der Stadtmauer / Altstadt im Gladbachtal an den Weihern ansiedeln (größere Vorläufer des heutigen Geroweihers)
1802
Auflösung der Benidiktinerabtei
1815
Preußen übernimmt die Vorherrschaft im gesamten Rheinland
1816
Verwaltungssitz des Kreises Gladbach
ab 1830
Aufnahme in den Kreis der preußischen Städte, die zur Erweiterung einen Stadtentwicklungsplan erstellen sollen
1833
Quirin Croon setzt in seiner Baumwoll-Spinnerei die erste Dampfmaschine ein
1846
Die Einwohnerzahl (Innenstadt) steigt auf ca. 3.500
1853
Anschluss an die Eisenbahnstrecke, Verbindungen nach Aachen, Krefeld, Neuss
1863
Verabschiedung des Stadtbauplans, der eine Besiedlung des Gebietes zwischen der Altstadt und dem „Sittard“ (heutige Sittardstraße) vorsieht und noch nicht ganz bis an das Dorf Eicken heranreicht. Zwischen Alt-Gladbach und Eicken gibt es – bis auf einige Höfe im Sittard – kaum Bebauung. In Eicken sind bis heute Fachwerkhäuser zu sehen, die die Zeit überdauert haben. Schon vor der Verabschiedung des Stadtbauplanes werden die ersten Häuser an der oberen Regentenstraße gebaut (heute noch erhalten: Nr. 3, 5 und 7). Geleichzeitig wurde das Viertel von Westen (Alt-Gladbach) und Osten (Eicken) erschlossen, weswegen an den „Enden“ die ältesten Häuser zu finden sind. Die Sittardstraße war (und ist heute noch in einem kleinen Teil) die einzige Straße, die nicht gerade durch das Gründerzeitviertel läuft, weil sie vor Erschließungsbeginn schon existierte.
Das Gründerzeitviertel kann man anhand des Bauplanes (und dessen Erweiterung bis Eicken) mit den heutigen Straßennamen wie folgt eingrenzen: Im Westen durch die Viersener Straße (damals in kleiner Form die Wallstraße), im Norden durch die Herrmann-Piecq-Anlage/Hohenzollernstraße (damals noch nicht existent), im Osten durch die Eickener Straße und im Süden durch die Hindenburgstraße (damals Crefelder Straße) mit einem „Abstecher“ über die Bismarckstraße (damals Bahnhofstraße, weil hier der erste Bahnhof lag) zum heutigen Bismarckplatz (damals Königsplatz).
1867
Die Einwohnerzahl (Innenstadt) steigt auf ca. 22.000
1875
Fertigstellung von St. Maria Rosenkranz in Eicken
1877
Eröffnung des Bahnhofs Bökel an der (heutigen) Hohenzollernstraße
1879
Die Regentenstraße ist schon von der (heutigen) Viersener Straße bis zur Albertusstraße bebaut, die ersten Häuser (unter anderem die Villa Brandts, heute das Grundstück, auf dem die Stadtbibliothek steht) sind auf dem Kaiserplatz (heute Adenauerplatz) errichtet worden. Auf der Regentenstraße stehen prachtvolle Gebäude wie das Landratsamt oder die Villa Ecke Lützowstraße. Von Eicken aus werden die Regentenstraße und die (heutige) Kaiserstraße ebenfalls bebaut.
1879
Eröffnung des imponierenden Veranstaltungsgebäudes der Gesellschaft Casino an der Herrmannstraße
1883/85
Die prachtvolle Synagoge auf der Carl-Straße (heute Blücherstraße, gegenüber der Stadtbibliothek) wird eingeweiht. Die Albertuskirche wird 1885 eingeweiht.
1885
Einweihung der Friedenskirche auf der Margarethenstraße
1890
Gründung des katholischen Volksvereines durch Franz Brandts
ab 1894
Start der Bebauung der Bahnhofsstraße (heute Bismarckstraße) im Bereich der Kaiserstraße im (neuen) historistischen Stil (Oskar-Kühlen-Haus, Villa Pelzer, heute Heimat des BIZ, Bismarckstraße 97 und 99).
1897
Großes Fest zur Enthüllung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals auf dem Kaiser-(Adenauer-)platz. Der Platz ist (bis auf das Gebäude der Gladbacher Gewerbebank, Baujahr 1901, heute Heimat des Café Kontor) geschlossen bebaut
1898-99
Abriss von landwirtschaftlichen Gebäuden zur Neuanlage der Eickener Straße
ab 1899
Neugestaltung der Straßen rund um den Schillerplatz (Schillerstraße, Margarethenstraße, Kaiserstraße, Humboldtstraße), Anlage des Schillerplatzes
1903
Die Kaiser-Friedrich-Halle wird eröffnet, als „Kronjuwel des bürgerlichen (Bau-) Engagements“
1905
Auf der Kaiserstraße haben sich drei Banken angesiedelt
1907-09
Die Bahnstrecke wird „hochgelegt“, der neue Bahnhof gebaut (1908), der Königsplatz wird zum Bismarckplatz (1907), der prächtige Bahnhofsvorplatz fertiggestellt (1910)
1908
Fertigstellung des van Dooren Hauses am Schillerplatz
1909
Eröffnung des ersten Kaufhauses der Gebrüder Abraham auf der Crefelder (heute Hindenburg-)Straße (heute steht hier in erweiterter Form der Kaufhof)
1909
Fertigstellung des neuen Wasserturmes an der Viersener Straße
1910
Die Einwohnerzahl steigt auf ca. 66.000
1910
Eröffnung der Textil-Berufsgenossenschaft auf der Croons-Allee
1910
Ausbau der Hohenzollernstraße und der (heutigen) Hermann-Piecq-Anlage
ca. 1910
Die letzten Baulücken werden geschlossen, die Bebauung des Gründerzeitviertels aus zwei Richtungen ist somit abgeschlossen
1912
Fertigstellung des Landgerichtes
ab 1912
Bebauung der Mozartstraße mit prächtigen Villen
1926
Eröffnung des neuen Finanzamtes an der Vereins- (heute Steinmetzstraße)
1930er
Modernisierung des Viertels im Bereich der Sittardstraße („Alte Tanke“) mit Mehrfamilienhäusern
1934
Die Einwohnerzahl steigt auf ca. 134.000
1937
Abriss des Bahnhofs Bökel
1938
Die Synagoge wir in der Reichspogromnacht am 09.11. komplett zerstört
1940
Der erste Luftangriff auf Deutschland durch britische Flieger überhaupt: am 12.05. auf Gladbach
bis 1945
Die Luftangriffe haben weite Teile der Innenstadt vollständig zerstört. Die Hindenburgstraße und der Alte Markt existieren praktisch nicht mehr. Ebenso sind die Abtei, die Pfarrkirche und die beiden Krankenhäuser Bethesda und Maria Hilf stark bis desaströs beschädigt. Auch am Kaiser-(Adenauer)platz gibt es kaum erhaltene Gebäude. Im restlichen Gründerzeitviertel gibt es starke Zerstörungen, ein Großteil der Gebäude ist jedoch mehr oder weniger intakt und bietet vielen Menschen Zuflucht.
1949
Einweihung des Lichthofes
1956
Fertigstellung des Haus Westland, kurz darauf „Anpassung“ und Modernisierung der Bahnhofsfassade
1959
Eröffnung des neuen Schauspielhauses an der Hindenburgstraße
1964
Großbrand der Kaiser-Friedrich-Halle
1965-72
Abriss der alten Bausubstanz auf der Bismarckstraße von der Steinmetzstraße bis zur Hohenzollernstraße, um die Straßenerweiterung zu ermöglichen
1975
Abriss alter Bausubstanz an Steinmetz-, Wall- und Viersener Straße, um auch hier eine Straßenerweiterung zu ermöglichen
1979
Abriss des altehrwürdigen Casinos an der Herrmannstraße
2003
„Großflächiger“ Abriss von Gründerzeithäusern, um den Bau der verlängerten Steinmetzstraße zu ermöglichen
ab 2000er
Das Gründerzeitviertel wird nach einem „Dornröschenschlaf“ wieder interessant und sukzessive renoviert
2013
Großes Viertelfest zum 150. Geburtstag des Gründerzeitviertels
2015
Eröffnung des Minto
2016
Einweihung des neu gestalteten Schillerplatzes
ab 2021
Baubeginn auf den Brachflächen der erweiterten Steinmetzstraße. Die Gebäude mögen hochwertig sein, das „Abriegeln“ des einst homogen geplanten Viertels Richtung Bahnhof durch die neue Bauhöhe und Architektur bleibt jedoch städtebaulich mehr als fragwürdig.
ab 2022
Abriss des alten Finanzamtes
Voraussichtlich 2023 Umbau und Neugestaltung des Adenauerplatzes
Quellen:
1. Stadt Mönchengladbach: Homepage, www.moenchengladbach.de
2. Dorado, Arne; Gruben, Ute: Ein starkes Stück Gladbach, 2013
3. Löhr, Wolfgang: Kleine Mönchengladbacher Stadtgeschichte, 2009